Die steigenden Netzentgelte auf deutschen Stromrechnungen – aktuell im Schnitt 11,6 Cent/kWh – machen mehr als ein Viertel des Strompreises aus. Für energieintensive Unternehmen sind die geplanten Reformen daher besonders relevant. Die Bundesnetzagentur plant grundlegende Veränderungen mit erheblichen Auswirkungen – und auch großen Chancen.
1. Warum die Reform notwendig ist
Zwischen 2021 und 2024 und darüber hinaus sind die Netzentgelte von 7,5 auf 11,6 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Hauptursachen: der milliardenschwere Netzausbau, steigende Kosten für Reservekapazitäten und ein unausgewogenes Entgeltsystem, das sich primär am Stromverbrauch orientiert. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, kritisiert, dass aktuell wenige Stromverbraucher die volle Last tragen – obwohl auch viele Einspeiser (z. B. durch Solaranlagen) auf das Netz angewiesen sind.
2. Was geplant ist: Kernelemente der Reform
- Dynamische Netzentgelte: Zeit- oder lastabhängige Tarife sollen Strom günstiger machen, wenn das Netz wenig ausgelastet ist – z. B. nachts oder bei hoher Einspeisung erneuerbarer Energie.
- Kapazitätsbasierte Entgelte: Unternehmen zahlen nicht nur für den Verbrauch, sondern auch für bereitgestellte Leistung – was die tatsächliche Netzbelastung besser abbildet.
- Grundentgelte für alle: Eine Basisgebühr für alle Netzanschlüsse wird diskutiert, um Kosten gerechter zu verteilen.
- Reduktion von Ausnahmen: Rabatte für energieintensive Industrie sollen überprüft und teilweise reduziert werden, um Verteilungskonflikte zu entschärfen.
3. Chancen für energieintensive Unternehmen
So sehr die Reform auch neue Anforderungen mit sich bringt, eröffnet sie auch attraktive Potenziale:
➤ Kostensenkung durch Flexibilität
Wer seine Prozesse (teilweise) flexibel gestalten kann, z. B. durch Lastverschiebung oder Speicher, kann von niedrigeren Netzentgelten profitieren. Investitionen in Steuerungstechnik oder Energiemanagementsysteme machen sich damit schneller bezahlt.
➤ Investitionsförderung nutzen
Förderprogramme von Bund und Ländern unterstützen Digitalisierung, Flexibilisierung und Speicherlösungen. Wer früh investiert, sichert sich höhere Förderquoten und Wettbewerbsvorteile.
➤ Planungssicherheit durch kapazitätsbasierte Entgelte
Ein fester Leistungspreis statt reiner Verbrauchsabrechnung kann vor unvorhersehbaren Strompreissteigerungen schützen – wichtig für Unternehmen mit kontinuierlichem Leistungsbedarf.
➤ Mehr Fairness im Wettbewerb
Die Neuregelung kann Wettbewerbsverzerrungen abbauen, indem unfaire Industrieausnahmen reduziert und Einspeiser stärker beteiligt werden.
4. Handlungsempfehlungen für Geschäftsführer und Energieeinkäufer
- ❶ Verbrauchs- und Lastprofile analysieren: Identifizieren Sie, wo Flexibilität möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist.
- ❷ Förderungen prüfen: Nutzen Sie aktuelle Förderprogramme für Energiemanagement, Speicher oder Steuerungstechnologien.
- ❸ Kontakt mit Netzbetreibern aufnehmen: Erkundigen Sie sich nach Pilotprojekten, flexiblen Tarifen und künftigen Tarifmodellen.
- ❹ Smart-Meter-Infrastruktur aufbauen: Ohne digitale Zähler ist dynamisches Netzmanagement nicht möglich. Planen Sie vorausschauend.
- ❺ Strategisch kommunizieren: Binden Sie die Geschäftsleitung frühzeitig ein – die Reform betrifft nicht nur Technik, sondern auch Finanzen und Wettbewerbsstrategie.
5. Ausblick
Die kommenden Jahre werden für energieintensive Betriebe zur Weichenstellung: Wer sich aktiv auf veränderte Netzentgelte vorbereitet, kann nicht nur Kosten senken, sondern auch seine Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die Umstellung ist komplex – aber auch eine Chance auf strukturelle Entlastung in einem herausfordernden Strommarkt.
Quellen
- Handelsblatt, 2024
- Bundesnetzagentur, 2024
- Welt.de, Juni 2024
- Welt.de, April 2024