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Netzentgeltreform und die zentrale Rolle von Energieflusssimulationen

Geschrieben von OHoE Team | 04. August 2025

Mit der Abschaffung der 7.000-Stunden-Regel zum 31.12.2025 und der Einführung einer dynamischen Netzentgeltstruktur ab 2026 stehen Unternehmen vor einem tiefgreifenden Wandel: Statt konstanter Stromverbräuche wird künftig flexibles Verbrauchsverhalten belohnt. Unternehmen, die ihre Prozesse elektrifizieren (z. B. durch E-Boiler oder Hochtemperatur-Wärmepumpen), müssen daher nicht nur ökologisch, sondern auch energiesystemisch sinnvoll und wirtschaftlich tragfähig handeln.

Eine kundenspezifische Energieflusssimulation wird damit zum zentralen Planungs- und Entscheidungsinstrument. Sie schafft Transparenz darüber, welche Maßnahmenkombinationen im jeweiligen Lastprofil wirklich wirtschaftlich sind – und welche nicht.

Warum Energieflusssimulationen zum entscheidenden Werkzeug werden

1. Wegfall fester Rabatte – Netzentgelte richten sich künftig nach Flexibilität

Ab 2026 wird nicht mehr der gleichmäßige Stromverbrauch belohnt, sondern ein verbrauchsflexibles Verhalten. Unternehmen mit konstantem Strombedarf (z. B. Prozesswärme) könnten dadurch deutlich höhere Netzentgelte zahlen.

Nur eine Simulation mit echten Lastgängen zeigt, wie stark diese Mehrkosten ausfallen – je nach Fahrweise.

2. Netzkosten hängen künftig vom Zeitpunkt ab – nicht mehr nur vom Gesamtverbrauch

Die neue Netzentgeltlogik orientiert sich an zeitlich und regional differenzierter Netzbelastung. Entscheidend ist, wann Strom gezogen wird – z. B. wird Verbrauch in Hochlastzeiten teurer.

Ohne Simulation in 15-Minuten-Auflösung bleibt verborgen, welche Verbrauchsmuster künftig teuer oder günstig sind.

3. Wirtschaftliches Risiko bei elektrischen Dauerverbrauchern

Elektrische Wärmeerzeuger (z. B. E-Boiler) erzeugen häufig dauerhafte Volllastprofile. Ohne Flexibilisierung (z. B. Wärmespeicher, Fahrplansteuerung) drohen stark steigende Netzentgelte, insbesondere in hochbelasteten Netzzeiten.

Eine Simulation erlaubt, Alternativen wie Speicher oder Lastverschiebung zu bewerten – vor der Investition.

4. Zusammenspiel mehrerer Preissignale erfordert integrierte Betrachtung

Strompreis (Spotmarkt), CO₂-Preis und Netzentgelt entwickeln sich nicht synchron – z. B. kann ein günstiger Strompreis mit hoher Netzauslastung einhergehen.

Nur eine integrierte Simulation zeigt, wie diese Signale zusammenspielen und wann sich ein flexibler Betrieb tatsächlich lohnt.

5. Forderung nach Transparenz durch interne und externe Stakeholder

Fördermittelgeber (z. B. BEW, KfW), Banken und Aufsichtsgremien verlangen zunehmend belastbare Szenarienrechnungen statt Pauschalannahmen.

Eine Energieflusssimulation liefert quantifizierbare Entscheidungsgrundlagen, die auch externen Prüfungen standhalten.

6. Keine zweite Chance nach der Investition

Elektrifizierungsmaßnahmen wie HT-Wärmepumpen oder E-Boiler binden Kapital langfristig. Fehlplanungen (z. B. ohne Speicher oder Steuerung) lassen sich nachträglich nur mit hohem Aufwand korrigieren.

Eine Simulation identifiziert jetzt, welche Maßnahmenpakete (z. B. Speicher + PV + Flexbetrieb) wirtschaftlich tragfähig sind – und welche nicht.

7. Identifikation und Nutzung flexibler Verbraucher als betrieblicher Hebel

In vielen Betrieben bestehen ungenutzte Flexibilitätsreserven, z. B. bei Kühlhäusern, Druckluftanlagen, Pufferprozessen oder Batteriespeichern. Diese sind oft nicht vollständig sichtbar oder werden nicht genutzt.

Eine Simulation macht sichtbar, welche Verbraucher technisch und wirtschaftlich verschiebbar sind, und erlaubt die Erstellung von optimierten Fahrplänen – z. B. angepasst an Strompreise oder Netzsignale. So wird die Flexibilität zum aktiven Wirtschaftsfaktor.

Fazit: Simulation als strategisches Muss

Ohne eine hochaufgelöste, kundenspezifische Energieflusssimulation sind die zukünftigen Strom- und Netzkosten nicht mehr verlässlich planbar.

Die anstehende Netzentgeltreform macht deutlich: Dekarbonisierung durch Elektrifizierung ist nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn sie mit Flexibilitätsstrategien kombiniert wird. Nur durch die Gegenüberstellung verschiedener Maßnahmenpakete unter realen Lastgängen – im Vergleich zwischen alter (7.000 h) und neuer Regelung – lassen sich fundierte Investitionsentscheidungen treffen.

Eine Energieflusssimulation liefert nicht nur diese Transparenz, sondern wird zum zentralen Werkzeug für strategische Energiekonzepte, Fördermittelakquise und interne wie externe Kommunikation.

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Agora Energiewende (2024): Industrielle Flexibilität und Netzentgelte
  • BDEW (Mai 2025): Diskussionspapier Netzentgeltsystematik
  • Fraunhofer ISE (2024): Netzdienlichkeit von Speichern
  • EuGH-Urteil C-405/22 (2023) zur Beihilferegelung
  • dena-Netzstudie (2024): Kostenwirkungen flexibler Netzentgelte
  • BSW Solar (2023): Marktzahlen Photovoltaik
  • BVES (2024): Positionspapier Stromspeicher
  • EnergieAgentur.NRW (2023): Fallstudie Chemiepark mit PV-Speicher