Die DIN EN 17463 (VALERI) macht Energieeffizienz-Investitionen vergleichbar, prüffähig und bankable. Wer sie mit Simulation und belastbaren Betriebsdaten kombiniert, reduziert Risiken, beschleunigt Entscheidungen und erschließt nachweisbar Einsparungen in energieintensiven Prozessen.
Was die EN 17463 (VALERI) konkret leistet
VALERI legt fest, wie energiebezogene Investitionen methodisch zu bewerten sind: Datenerhebung, Cashflows, Kapitalwertberechnung (NPV), dokumentierte Annahmen sowie Szenario- und optional Sensitivitätsanalysen. Das Ergebnis ist ein transparenter Business Case, der sowohl finanzielle als auch relevante nicht-finanzielle Wirkungen abbildet.
Kernelemente der Norm
- Kapitalwert als Leitkennzahl: NPV über die Nutzungsdauer, inkl. CAPEX, OPEX, Restwerte, Preis- und Volatilitätsannahmen.
- Szenarioanalyse verpflichtend: mindestens „best/worst/most likely"; Sensitivitäten empfohlen.
- Dokumentationspflicht: strukturierter, prüffähiger Bewertungsbericht.
Warum die Norm jetzt besonders relevant ist
- EU-Regelwerk: Die revidierte Energy Efficiency Directive (EU) 2023/1791 hebt die „Energy Efficiency First"-Prämisse auf Gesetzesniveau. Unternehmen müssen Effizienz in Investitionsentscheidungen systematisch berücksichtigen.
- Deutschland, EnFG („grüne Konditionalität"): Für die Besondere Ausgleichsregelung im EnFG ist der Kapitalwert nach DIN EN 17463 (Ausgabe 12/2021) maßgeblich. Übergangsweise gilt: positiv nach ≤60 Prozent der Nutzungsdauer (2023–2025), ab 2026 positiv nach ≤90 Prozent der Nutzungsdauer. Nachweise erfolgen über ein EnMS/UMS und eine prüfungsbefugte Stelle.
- Deutschland, EnSimiMaV (historisch): Die Verordnung hat die Anwendung von VALERI für wirtschaftliche Maßnahmen verbreitet (positive NPV spätestens nach 20 Prozent der Nutzungsdauer; Bewertungszeitraum max. 15 Jahre). Die EnSimiMaV ist seit 30.09.2024 außer Kraft; die methodischen Anforderungen wirken jedoch in EnFG/EnEfG fort.
- Deutschland, EnEfG (2023): Unternehmen mit >7,5 GWh Endenergieverbrauch müssen ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einführen; ab >2,5 GWh sind Umsetzungspläne für Maßnahmen gefordert.
- Berichtsrahmen CSRD/ESRS: Ab dem Geschäftsjahr 2024 (Bericht 2025) steigen Transparenz- und Prüfpflichten. VALERI liefert belastbare, prüfbare Investitionsargumente für die Berichterstattung.
Die betriebswirtschaftlichen Vorteile auf einen Blick
- Vergleichbarkeit & Priorisierung: Einheitliche Bewertungslogik über alle Standorte und Maßnahmen. Portfolio-Entscheidungen werden objektiv.
- Risikoreduktion: Szenario- und Sensitivitätsanalysen zeigen die Bandbreite der Kapitalwerte und die „Treiber" des Risikos.
- Finanzierungsfähigkeit: Standardisierte, prüfbare Cases erhöhen die Akzeptanz bei Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Banken und Förderstellen.
- Compliance & Förderung: Erfüllung gesetzlicher Nachweispflichten (EnFG, EnEfG) und effizientere Fördermittelbeantragung.
- Mehrwert jenseits von kWh: IEA betont die „Multiple Benefits" wie Produktivitäts- und Qualitätsgewinne; VALERI gibt den Rahmen, diese zu quantifizieren.
Wo die großen Einsparungen liegen (Industrietypik)
- Motor- und Antriebssysteme: Variable Speed Drives (VSD) erschließen typischerweise 20–30 Prozent Einsparung; je nach Anwendung sind 10–75 Prozent möglich.
- Druckluft: Systematische Leckageprogramme senken den Durchsatz typischerweise um 5–10 Prozent; häufig sind Leckageanteile deutlich höher.
- Abwärme/Rückwärmenutzung: Zwischen 20 und 50 Prozent der Industrieenergie geht als Abwärme verloren; strukturierte Projekte heben zweistellige Einsparpotenziale. Pinch-Analyse setzt Mindestenergieziele und identifiziert wirtschaftliche Wärmerückgewinnung.
Diese Potenziale sind prädestiniert für VALERI-Business-Cases, weil Lastprofile, Preisannahmen und Verfügbarkeiten klar modellierbar sind.
Der Hebel: Simulation als Brücke von der Norm zur Entscheidung
VALERI definiert wie bewertet wird. Simulation liefert worauf man bewertet: realistische, belastbare Einspar- und Risikoaussagen aus dem Prozess. Moderne digitale Zwillinge verknüpfen Prozessdaten (SCADA/MES/BMS) mit physikalischen oder datengetriebenen Modellen und quantifizieren Einsparungen, Verfügbarkeiten und Nebenwirkungen.
So bauen Sie eine simulationsgestützte VALERI-Entscheidungskette:
- Baseline & Datenarchitektur: Messkonzept, Datenqualität, Zeitauflösung festlegen; Energieträger, Lastgänge, Fahrpläne, Betriebszustände.
- Modellierung (Digitaler Zwilling): Physikalische Modelle für Wärme, Strömung, Antriebe, Kälte; alternativ hybride Modelle aus ML und Grundgleichungen.
- Kalibrierung & M&V: Gegen Ist-Daten validieren und M&V nach IPMVP planen (Option A/B/C).
- Szenarien: Produktionsmengen, Schichtmodelle, Energie- und CO₂-Preispfade, Degradation, Wartungsfenster. Output: Einsparungen als Zeitreihe.
- Unsicherheit quantifizieren: Monte-Carlo auf die wichtigsten Treiber (Energiepreise, Volllaststunden, Wirkungsgrade) → Verteilung des NPV statt Einzelwert; Tornado- und Perzentilkennzahlen.
- VALERI-Business Case erzeugen: Cashflow-Aufbereitung, Diskontierung, Dokumentation der Annahmen, Pflicht-Szenarien und optionale Sensitivitäten.
- Umsetzung & Nachweis: Nach Projektstart M&V-Plan durchführen, Abweichungen zum Case transparent berichten (EnFG/CSRD-geeignet).
Praxisnutzen der Simulation im VALERI-Rahmen
- „Was-wenn"-Antworten mit Zahlen: z. B. wie stark schwankt der NPV einer VSD-Nachrüstung, wenn der Teillastanteil statt 40 nur 25 Prozent beträgt?
- Portfolio-Sicht: Maßnahmenpakete mit Nebenwirkungen (z. B. Abwärmenutzung beeinflusst Kältebedarf) lassen sich als Gesamtsystem optimieren.
- Bankable Reporting: Wahrscheinlichkeitskennzahlen (P90-/P50-NPV) schaffen Kreditsicherheit und beschleunigen Freigaben.
Checkliste: Daten, die Sie für „VALERI + Simulation" griffbereit haben sollten
- Zähler-/Submeter-Daten je Energieträger, 1–15-Minuten-Auflösung
- Anlagenstammdaten (Nennleistungen, Kennlinien, Wirkungsgrade, Alter, Wartungszyklen)
- Betriebsszenarien (Schichtpläne, Lastwechsel, Teillastanteile, Stillstände)
- Prozessdaten (Druck/Temperatur/Volumenströme, ΔT-Profile, Rückkühlung)
- Wirtschaftsparameter (CAPEX/OPEX, Energiepreis- und CO₂-Preis-Pfade, WACC)
- Randbedingungen (Regelwerke, Genehmigungen, Produktionsziele)
- M&V-Plan (Messpunkte, Baseline-Bildung, Unsicherheiten, Verantwortlichkeiten)
Fazit
- VALERI liefert die Regel, nach der Effizienz-Investitionen fair bewertet werden.
- Simulation liefert die Datenbasis, um diese Regel realistisch zu füttern: belastbare Einsparungen, Risiken und Wechselwirkungen.
- Zusammen entstehen prüffähige, bankable Business Cases, die Compliance-Anforderungen erfüllen und die Umsetzungsgeschwindigkeit erhöhen.
Hinweis: Dieser Fachartikel ersetzt keine Rechtsberatung. Für die konkrete Auslegung Ihrer Pflichten nach EnFG/EnEfG und die Auswahl der Bewertungsparameter empfehlen sich unternehmensspezifische Prüfungen und, wo erforderlich, die Einbindung einer prüfungsbefugten Stelle.